Warum bin ich Mitglied zweier politischer Parteien?

Die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Parteien ist ungewöhnlich und grundsätzlich unlogisch, da Parteien besonders bei Wahlen konkurrieren.

Aber es gibt Sondersituationen.

 

Der Hintergrund:

Die bis 2005 amtierende rot-grüne Bundesregierung versuchte den Zugang kleiner Parteien zur Parteienfinanzierung wesentlich zu erschweren. Damit erschien die Existenzfähigkeit sowohl der ÖDP wie der Familien-Partei bedroht. Unter dem Eindruck dieser Gefahr und der weitgehenden Übereinstimmung ihrer Programme kam es zu einer Annäherung beider Parteien mit der Option einer Vereinigung. Um eine gegenseitige Vertrauensbildung zu fördern, wurden Doppelmitgliedschaften für eine Übergangszeit von beiden Parteien befürwortet. So trat ich neben anderen ÖDP-Mitgliedern auch der Familien-Partei bei. Entsprechendes geschah auch in umgekehrter Richtung.

 

Die von der Bundesregierung beschlossene Behinderung kleiner Parteien wurde aufgrund einer von der ÖDP und den damaligen "Grauen" eingelegten Verfassungsbeschwerde als grundgesetzwidrig erklärt. Leider schwand dann auf beiden Seiten das Interesse an einem Zusammengehen. Neue Doppelmitgliedschaften werden von beiden Seiten nicht mehr zugelassen, bestehende aber geduldet.  

 

Obwohl viele Doppelmitgliedschaften beendet wurden, habe ich mich entschlossen, Mitglied beider Parteien zu bleiben. Als Mitglied der ÖDP-Programmkommission in 12 Jahren kenne ich die Programme beider Parteien gut. Ich kann keine wesentlichen programmatischen Unterschiede erkennen, nur unterschiedliche Schwerpunkte. Politische Parteien, die annähernd das Gleiche wollen, bzw. sich in ihren Programmen ergänzen, aber trotzdem konkurrieren, neutralisieren nach meiner Auffassung einen Teil ihrer ohnehin schon geringen politischen Einflussmöglichkeiten, was ich persönlich für ausgesprochen misslich halte. 

 

Meine Prognose: Unter den gegenwärtigen Bedingungen können ÖDP und Familien-Partei zwar weiter existieren. Aber beide Parteien werden es weiter sehr schwer haben, in ein Landesparlament oder den Bundestag zu gelangen. Die ÖDP verfügt über viele engagierte Idealisten, erreicht aber nur wenige Wähler. Die Familien-Partei spricht weit mehr Wähler an, hat aber nur wenig Aktive, da Eltern mehrerer Kinder meist nicht über die Zeit und das Geld verfügen, um sich politisch engagieren zu können. Beide Parteien würden sich ergänzen wie Schlüssel und Schloss. Die Kombination von umweltpolitischer und sozialpolitischer Nachhaltigkeit ist der Schlüssel zu einer  zukunftsorientierten Politik.  

 

Da ich außerhalb von ÖDP und Familien-Partei weder in einer Bundestagspartei noch in einer anderen kleinen Partei eine zukunftsfähige Programmatik erkennen kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter auf ein Zusammengehen dieser Parteien in der Zukunft zu hoffen. Ich bleibe deshalb in beiden Parteien, um auf beiden Seiten für gegenseitiges Verständnis zu werben. - Auch wenn ich es vielleicht nicht mehr erlebe: Beide Parteien werden nach meiner Überzeungung entweder zusammenkommen oder beide werden wieder in der politischen Versenkung verschwinden. Ich habe in beiden Parteien in gleicher Weise die aufopferungsvolle Arbeit vieler Mitglieder erlebt. Ich wünsche mir, dass das nicht umsonst war, sondern für die Zukunft nutzbar wird.   

 

Ermutigend für beide Parteien war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2011, das die 5%-Klausel bei der Europa-Wahl für verfassungswidrig erklärte. Obwohl die 5%-Klausel kein Hinderungsmotiv für potentielle Wähler mehr war, haben leider beide Parteien bei der Europa-Wahl 2014 nicht besser abgeschnitten als bei der Wahl 2009. Allerdings haben beide Parteien wegen des Wegfalls der Klausel einen Sitz im EU-Parlament erringen können. 

 

Ich vermute, dass auch die beiden Sitze im EU-Parlament keinen ausreichenden Schub bringen, die bei Bundestagswahlen weiter bestehende 5%-Klausel zu überspringen. Nur ein Zusammengehen könnte nach meiner Überzeugung einen solchen Schub bringen. Eine Partei, die erstmals sowohl die umwelt- wie die sozialpolitische Nachhaltigkeit zu für alle Wähler erkennbaren Leitideen macht, ist mit jeder demokratischen Partei koalitionsfähig. So könnten die Grundlagen für eine Politik gelegt werden, die nicht mehr durch die Macht von Interessengruppen bestimmt wird, sondern durch Gemeinwohl und Zukunftsfähigkeit.